Freitag, 16. September 2011

(b)logbuch XV - sochii2trabzon



Kehrtwendung. Fuhr ich bis jetzt einfach immer gen Osten, mit gelegentlichem Blick aufs Meer zu meiner Rechten, wurde ab jetzt der Sonnenuntergang zu meinem wichtigsten Orientierungspunkt. Irgendwie fahre ich ab jetzt heim. Zwar durch mehrere Länder und über tausende Kilometer, trotzdem ist da eine gewisse Sentimentalität im Spiel.


Die Rückfahrt durch die russischen Trockengebiete war von Regen begleitet, wie denn auch sonst? Die Logik hinter der russischen Straßenbeschilderung war mir so schleierhaft wie der Nieselregen, das Auftauchen von Wegweisern war weniger roter Faden als sporadischer springender Punkt & und das nach.dem.Weg.fragen dank meiner immer noch bescheidenen Kenntnisse russischer Sprache eher mühselig als ergiebig. Übernachtet wurde in einem kleinen Waldstück: der Boden war weich und eben, es war ruhig und sauber. das Plätzchen so uneinsehbar wie ich uneinsichtig und in der Früh gab es nicht mal Tau. Ganz anders der Campingplatz für die nächsten Tage: 80 km vor Sochii – dem Abfahrtsort meiner überteuerten Fähre nach Trabzon – blieb ich 2 Nächte auf schrägem, steinernen Boden, Plumpsklos die anscheinend dazu verleiten nicht in das Loch, sondern die umliegenden Wände zu treffen, das alles direkt neben der Strasse und viel zu teuer, da ich mich abziehen ließ als würd ich auf de Erbschaft eines nigerianischen Prinzen warten. Die eigene Toughness leidet dann doch regelmäßig unter der Realität. Immerhin wurde ich dort temporär von einer russischen Familie adoptiert, mit Essen versorgt, zum Tee geladen und sogar beim Schwimmen wurde auf mich acht gegeben – so schnell wird der einsame Wolf zum Welpen.

Neben dem Straßenlärm beglückte mich die lokale Disko mit Musik die bei uns schon vor 20 Jahren schlecht war. Coco Jumbo und Modern Talking zum einschlafen bis der nächste LKW oder getunte Lada einem eine kurze Verschnaufpause verschaffte. 


Der Weg nach Sochii wär eigentlich toll, wären da nicht so viele andere. Der dauernde Stop&Go brachte mich dann auch kurz zu Boden, die dabei verursachten Kratzer an der Stoßstange des Autos vor mir wurden vom Fahrer zur Kenntnis genommen, und zu meinem Glück mit einer drüberhinwegsehenden Handbewegung abgetan – ich musste meine grüne Versicherungskarte also nicht benutzen.
Sochii ist teuer und touristisch, und das bereits vor den olympischen Winterspielen. Wie man auf die Idee kommt, die in einem Badeort zu machen wissen wohl auch nur der Rubel und der IOC. Durch das ganze Ticket- und Grenzprozedere wurde mir dort zumindest nicht langweilig, das Erklimmen der Fähre wertete meine Gefühlswelt als Erfolg. Tja, die (eigenen) Ansprüche sinken dann halt doch auch...




Trabzon. Ich überschlug bei der Ankunft wieviel Bäume ich durch meine ganzen Grenzübertritte samt Papierkram schon auf dem Gewissen hatte: wahrscheinlich einen, er mußte nur groß genug sein. Nachdem ich mit Moldawien, Transnistrien, der Ukraine und Russland die bezüglich Schmiergelder vorurteilbehaftetesten Länder ganz ohne Bestechung durchkreuzt hatte (und dabei beileibe nicht ohne Fehltritte auskam), wurde ich hier ziemlich filigran darauf aufmerksam gemacht, das etwas Kleingeld erwartet wurde: „Bakschisch, 10$“ Diesen Zaunpfahlwink durch alle Blumen hindurch verstand sogar ich. 5 $ später durfte ich dann raus.
Trabzon war dann eindeutig asiatisch mit seinen engen Gassen, ständigem Treiben auf der Strasse, den 20 Geschäften in einer Reihe die alle das exakt Gleiche verkaufen und natürlich überall Tee (in Getränke-, nicht Pflanzenform). Und das trotz Fastenbrechens. Die Menschen enorm hilfsbereit und einladend (von meinen ersten 4 bestellten Tees zahlte ich nur einen) - ich nahm mir etwas Zeit um hier anzukommen: 3 Tage abwarten und Tee trinken.












Montag, 12. September 2011

(b)logbuch XIV - am rand des fernen ostens




Aufgrund der Dokumente-Sache und der daraus folgenden Zeitknappheit ließ ich meinen eigentlichen Wendepunkt Wolgograd rechts liegen (betrachtet man es auf einer genordeten Karte) und fuhr gleich nach Elista, der Hauptstadt Kalmyckiens und östlichster Punkt meiner Reise. Ich ließ die riesigen Felder hinter mir und tauchte ein in die Steppe. Da machen sich mongolische Stämme also tausende Kilometer auf den Weg, und lassen sich in baumloser Graslandschaft nieder...anscheinend Heimweh bekommen.
Als ich am Weg dorthin (ca. 130km vor Elista) einen kurzen Fotostop einlegte, kam eine Gruppe Biker vorbei und blieb sofort stehen um mich Willkommen zu heißen. Die Einladung zum Essen auszuschlagen war natürlich keine Möglichkeit, meine letzte Mahlzeit eine halbe Stunde davor nämlich kein Grund.






Es gab Fleisch vom Grill, als Beilage etwas Zwiebel. Im Konvoi gings dann weiter nach Elista, und irgendwie war diese Gruppe wohl in der Gegend bekannt. Ständig wurden sie gegrüßt und ange(licht)hupt, statt der erlaubten 90 gings mit 120 weiter was von der Polizei ignoriert wurde. Sie beschränkte sich aufs Begrüßen und war (zumindest hab ich es so gelesen) der „untergebene“ Part. Fehlende Nummernschilder waren ebensowenig ein Problem wie das Blockieren der Strasse durch die gesamte Gruppe. Während all dem überlegte ich meine Enduro gegen etwas Schweres einzutauschen und mein Leben zuhause den Hells Angels zu widmen. Allein dieser Hauch von „über dem Gesetz stehen“ hatte etwas rauschhaftes – aber Lederjacken stehen mir nicht.

Sie bestanden darauf mich zu meiner Übernachtungsmöglichkeit (couchsurfing.com) zu bringen. Also fuhr ich mit 5 Bikern – und jeweils 1800 ccm und dem entsprechenden Donnergrollen – in einer beschaulichen Nachbarschaft ein und wurde zu meiner Tee-trinkenden, unter-Sterne-schlafenden, Natur-bezogenden, in einem ökologisch-nachhaltigem-Haus-wohnenden Couchhosterin und ihrer Familie gebracht. Ein erstaunlich harmonischer Clash of Cultures.

Die Zeit dort verbrachte ich mit kalmykischer Tradition - in der Männer noch versuchen dürfen sich wie "Männer" zu gebärden -...




...rumspazieren...



...und vielen netten Menschen...

 






















Samstag, 10. September 2011